Pia Igelbrink
In der Oberstufe begann ich, wie alle meiner damaligen Mitschüler und Mitschülerinnen, mir Gedanken über die Zeit nach dem Abitur zu machen. Immer wieder wurde ich gefragt: „Und, hast du schon eine Idee was du studieren willst?“ und lange Zeit wusste ich darauf keine Antwort zu geben.
So richtig studieren wollte ich nicht, da mir das zu theorielastig erschien und außerdem schreckte mich die Unsicherheit, nicht genau zu wissen, in welchem Beruf man nach dem Studium landen würde, ganz schön ab.
Schon mein Leben lang hatte ich ein großes geschichtliches Interesse, also recherchierte ich eines Tages, welche Berufsmöglichkeiten es in dieser Richtung gibt. Dabei weckte das Archiv direkt meine Aufmerksamkeit. Ich informierte mich über das Berufsbild, die Tätigkeitsfelder, die verschiedenen Archive in meiner Nähe und über den Ausbildungsgang. Kurze Zeit später traf ich mich im Landesarchiv Abteilung Westfalen mit einer Archivarin, die mir all meine Fragen, zu denen ich im Internet keine Auskunft fand, beantwortete. Meine darauffolgenden Sommerferien verbrachte ich bei einem freiwilligen Praktikum im Landesarchiv und schon nach kurzer Zeit dort wusste ich, was ich werden wollte: Archivarin.
Nun ist es leider so, dass die Zahl der Archivare und Archivarinnen, die in Deutschland jährlich für den gehobenen Dienst ausgebildet werden, sehr gering ist (in diesem Ausbildungsjahrgang sind wir deutschlandweit 22 Landesarchivinspektoranwärter und -anwärterinnen). Daher war ich zunächst sehr unsicher, ob ich es schaffen würde, einen Ausbildungsplatz zu finden. Täglich schaute ich auf der Internetseite der Archivschule Marburg nach, ob neue Stellen ausgeschrieben waren. Ich bewarb mich bei fast allen Archiven, die einen Ausbildungsplatz boten: In Hamburg, Schwerin, Koblenz, Duisburg, Marburg, Dresden und auch in meiner Heimatstadt Münster.
Dort wurden erstmalig vom LWL zwei Ausbildungsplätze angeboten. Einige Wochen, nachdem ich meine Bewerbung abgeschickt hatte, bekam ich eine Einladung zu einem ersten Eignungstest im Studieninstitut, bei dem ich ein großes Spektrum verschiedenster Aufgaben bearbeiten musste. Danach war meine Ungewissheit natürlich groß, denn ich konnte nicht einschätzen, wie ich bei dem Test abgeschnitten hatte. Umso erleichterter war ich dementsprechend, als ich kurze Zeit danach zu einem Vorstellungsgespräch ins Archivamt eingeladen wurde. Bei diesem musste ich in verschiedenen Aufgaben besonders meine kommunikativen Fähigkeiten unter Beweis stellen, aber auch zeigen, wie gut ich mich im Vorfeld über den Beruf und das Archivamt informiert hatte. Schon am darauffolgenden Tag bekam ich zu meiner Überraschung die Zusage und meine Vorfreude auf den Ausbildungsbeginn stieg von Tag zu Tag.
Am ersten September war es dann endlich so weit: Die Einführungswoche beim LWL begann! Zusammen mit den Landesinspektoranwärtern und -anwärterinnen lernten wir in dieser Woche unseren neuen Arbeitgeber kennen und unternahmen zahlreiche teambildende Aktivitäten, die sehr viel Spaß gemacht haben.
Im Anschluss verbrachten wir vier Monate an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, um die Grundlagen des Verwaltungshandelns kennenzulernen. Im Januar standen dann zwei Klausuren an, für die wir ziemlich viel lernen mussten.
Als diese dann gemeistert waren, begann endlich unser erster Praxisabschnitt im Archivamt. Schon in unseren ersten zwei Monaten im Archivamt konnten wir eine Vielzahl von Erfahrungen sammeln und die verschiedenen Aufgabenbereiche des Hauses gut kennen lernen. Unser Arbeitsalltag ist geprägt von der Erschließungsarbeit, Rechercheaufträgen, verschiedenen Außenterminen bei Archiven und Institutionen und vielem mehr. Langeweile kommt im Archivamt definitiv nicht auf! Seit Februar nehmen wir zudem zweimal wöchentlich an einem gemeinsamen Unterricht für alle LAIAs aus NRW teil, der in Duisburg stattfindet.
Meine Entscheidung, das duale Studium als Landesarchivinspektoranwärterin beim LWL zu machen, habe ich in den letzten sechs Monaten kein einziges Mal bereut. Dank des freundlichen Arbeitsklimas fühle ich mich im Archivamt sehr wohl. Meine Aufgaben sind immer sehr interessant, sodass ich jeden Tag viel Spaß an der Arbeit habe. Von Juni bis August werden wir in Informatorien zwei andere Archive von innen kennen lernen und im Oktober beginnt unser Theorieabschnitt an der Archivschule in Marburg, welcher anderthalb Jahre dauern wird.
Michael Jerusalem
Landesarchivinspektoranwärter (LAIA) – ein äußerst langer Titel, sagt einem jedoch zunächst nicht viel. Generell ist das Archivwesen für viele Menschen, ob jung oder alt, ein eher unbekanntes Feld. Die Berufswahl in diesem Bereich erscheint also womöglich erst einmal abwegig.
Auch für mich war der Werdegang zum Diplom-Archivar kein Kindheitstraum. Nach dem Abitur und Zivildienst musste ich mich zunächst orientieren und bin für einige Zeit ins Ausland gereist. Danach habe ich mich entschieden meine Interessen zu verfolgen: die Geschichte. Das Bachelor- und Masterstudium stellte sich in der Folge durchaus als der richtige Weg für mich dar. Die berufliche Perspektive mit einem geisteswissenschaftlichen Abschluss war allerdings nicht sehr vielversprechend.
Das quellennahe Geschichtsstudium hat mir allerdings einen weiteren Weg aufgezeigt. Auf der anderen Seite, gegenüber der Wissenschaft, sitzt auch noch jemand: die Archivarinnen und Archivare. Deren Arbeit habe ich durch Eigeninitiative (Praktika, Workshops, ehrenamtliche Tätigkeiten) sowie meine Erfahrungen im Studium kennengelernt. So wurde mein Interesse geweckt.
Die vielseitigen Tätigkeiten und die hohe Verantwortung, die man als Archivar trägt, überzeugten mich schnell. Deshalb habe ich bereits gegen Ende meines Studiums die Bewerbung an den LWL verschickt, um das duale Studium zum Diplom-Archivar anzutreten. Diese Entscheidung habe ich nicht bereut!
Erstmalig in meinem Einstellungsjahr bildete der LWL in Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv NRW Archivarinnen und Archivare für den gehobenen Dienst aus. Die Struktur dieses dualen Studiums ist recht komplex – eine Herausforderung für alle Seiten! Doch die Rolle als Testpilot habe ich gerne angenommen.
Mit den ersten Ausbildungsabschnitten im Rücken kann ich bereits sagen: Der berufliche Werdegang zum LWL war definitiv der richtige Schritt für mich. In einem guten Verhältnis von enger Betreuung und selbständiger Arbeit habe ich in kurzer Zeit unheimlich viel gelernt und unzählige Eindrücke sowie Erfahrungen sammeln können. Ob z. B. grundlegende Arbeit mit der Datenbank, Recherchen für Bürgerinnen und Bürger, Öffentlichkeitsarbeit oder Dienstreisen für beratende Tätigkeiten – in angenehmer Arbeitsatmosphäre erlangte ich bereits Einblicke in die verschiedensten Felder des Archivwesens.
Es wird spannend und abwechslungsreich bleiben: Im nächsten Ausbildungsabschnitt besteht die Möglichkeit, die Arbeit in zwei weiteren Archiven kennenzulernen, und ab Oktober geht es dann für 18 Monate an die Hochschule für Archivwissenschaft nach Marburg.
Vor allem eins ist mir außerdem deutlich geworden: Das ist der Beruf, den ich auch in Zukunft ausüben möchte! Ich freue mich auf die anstehenden Herausforderungen!